Kein Einzelfall: Sexismus im Gaming

Videospiele sollen faszinieren, bewegen, Spaß machen. Doch viele Spielerinnen sehen sich in ihrem Hobby auf täglicher Basis mit sexistischen Kommentaren konfroniert. Von unreflektierten Stammtischparolen bis hin zu sexueller Belästigung: Gaming hat ein Sexismus-Problem.

Ende 2018: Unter den Hashtags #Gamerleaks und #GamerleaksDE berichten etliche Spieler*innen von den diskriminierenden Erfahrungen, die sie im Gaming-Umfeld machen mussten. Ganz ähnlich wie bei #metoo entstand so eine Debatte, die nicht nur einseitig geführt wurde, sondern für zahlreiche Diskussionen und sexistische Relativierungen sorgte. Männer sehen von feministischen Bewegungen wie dieser ihre Meinungsfreiheit bedroht und übersehen dabei das eigentliche Problem der Situation.

Frauen können doch eh nicht zocken

Doch fangen wir ganz vorne an: Hate Speech ist im Gaming allgegenwärtig. Beim Voice-Chat über Dienste wie Teamspeak oder Discord, in Online-Foren, sozialen Netzwerken und in Videospielen selbst stehen rassistische, homophobe und sexistische Kommentare an der Tagesordnung. Hitlergrüße, „schwul“ als Beleidigung, das N-Wort gegenüber dunkelhäutigen Spielfiguren anderer Spieler – wer selbst schon einmal längere Zeit mit Online-Games verbracht hat, weiß, dass solche Vorfälle keine Seltenheit sind.

Auf Twitter erzählen Spielerinnen davon, wie männliche Gamer vorurteilsbehaftet behaupten, Frauen seien in Videospielen generell schlechter und als Team-Kameradinnen in Online-Games nur ein Klotz am Bein. Auch sexistische Kommentare wie „Zurück an den Herd!“ oder „Schick mal paar geile Fotos“ kommen regelmäßig vor. Laut einer Studie der Anti-Defamation League gaben fast drei Viertel der befragten amerikanischen Spieler*innen an, in Online-Games schon einmal in irgendeiner Form belästigt worden zu sein. Die am häufigsten genannte Grundlage dieser Belästigungen war das weibliche Geschlecht, noch vor Diskriminierungen aufgrund von Homo-, Trans- oder Intersexualität, afroamerikanischer Herkunft sowie jüdischer oder muslimischer Religionsangehörigkeit.

Leugnung statt Einsicht: Man wird doch wohl noch sagen dürfen…

Wie so oft wäre es zu einfach, jeder Person für solche Kommentare pauschal eine sexistische Lebensweise vorzuwerfen. Fakt ist aber: Solche Kommentare, egal wie drastisch und vulgär, sind sexistisch. Häufig erkennen die Verursacher*innen aber gar nicht, welche Auswirkungen Kommentare wie diese auf die Betroffenen haben können. Vieles geschieht im Gaming unter dem Deckmantel von schwarzem Humor und Sarkasmus. Aufgrund von Anonymität und der schwierigen Nachverfolgung der Äußerungen bleiben solche Taten ohnehin meist ohne größere Konsequenzen. In der Regel ist die „Höchststrafe“ eine mögliche Sperrung in einem Online-Spiel – die aber häufig mit einfachen Schritten wieder umgangen werden kann.

Doch was für Verursacher*innen nur „böser Humor“ ist, kann ganze Personengruppen verletzen oder sogar traumatisieren. Ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich: Im Grunde gilt im Gaming das gleiche, wie bei der aktuellen Debatte rund um sexistisches Marketing des Smoothie-Herstellers True Fruits: Ja, viele der Sprüche von True Fruits begeisterten die vergangenen Jahre durch einfallsreiche Wortwitze. Ja, auch die aktuell diskutierte Smoothie-Werbung, bei der ein aus Sonnencreme gemalter Penis auf dem Rücken einer Frau für Aufregung sorgt, kann in den Augen vieler ein weiterer Geniestreich von True Fruits sein. Und ja, auch einige Frauen werden das Ausmaß der Empörung nicht nachvollziehen können.

Schwarzer Humor festigt Vorurteile

Und doch sollte die Frage danach, ob etwas diskriminierend ist, noch immer von den Betroffenen selbst eingeordnet werden. True Fruits hält daran fest, ihre Äußerungen seien nicht sexistisch und es sei nicht ihre Intention, Leute zu beleidigen oder zu diskriminieren. Doch auch wenn ich jemandem aus Versehen auf den Fuß trete, dann tut das weh – auch wenn es nicht so gemeint war. Eine Entschuldigung ist in dieser Situation das Mindeste. Und obwohl die Opfer auf jeden Fall erreicht werden – sei es durch die öffentlichen Werbeplakate von Smoothie-Herstellern oder beleidigende Kommentare in Sprach-Chats – sind die Botschafter solcher Äußerungen oft nicht bereit, etwas an ihrem Verhalten zu ändern. Und auch, wenn nur in einer reinen Männerrunde über Frauen hergezogen wird, festigt das Rollenbilder und Assoziationen, die man mit Personen allein wegen ihres Geschlechts hat. Das ist sexistisch.


Das Ergebnis: Auch wenn es fast eine 50:50-Aufteilung zwischen männlichen und weiblichen Gamer*innen gibt, stehen trotzdem primär Männer in der Öffentlichkeit – im E-Sport, auf Youtube oder der Streaming-Plattform Twitch. Der Grund: Beim weiblichen Geschlecht achten Zuschauer auf ganz andere Sachen. Frauen in der Öffentlichkeit.

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