Über das Projekt Female Faces

Hallo!

Ich bin Niklas und das hier ist Female Faces – ein Blog rund um Frauen und Gaming. Entstanden ist dieses Projekt im Rahmen meines Technikjournalismus/PR-Studiums an der Hochschule-Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin.

Gaming ist ein Thema, das mich schon mein ganzes Leben lang begeistert. Schon als Kind faszinierten mich Videospiele als Unterhaltungsmedium und mit steigendem Alter interessierte ich mich auch zunehmend leidenschaftlich für die Kultur und Entwicklerszene. Gerade deswegen ist es für mich traurig zu sehen, mit welchen Vorurteilen und Problemen diese Szene auch 2019 noch behaftet ist.

Mit diesem Blog wollte ich einerseits Aufklärungsarbeit leisten – denn auch wenn Gaming ein Massenphänomen ist, so erreicht es doch bei weitem nicht alle gesellschaftlichen Schichten. Und auch im Gaming-Kosmos selbst sind die wichtigen aktuellen Diskurse – Sexismus, Rassismus, Arbeitsbedingungen, Glückspiel – nicht allen Beteiligten ein Begriff.

Andererseits habe ich diesen Blog aber auch für mich persönlich kreiert: Um selbst mehr über die Thematik und ihr Ausmaß zu lernen, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen und um mich ausführlicher mit Feminismus, seinen Ursachen und Folgen auseinanderzusetzen.

Das Ergebnis ist Female Faces – und ich hoffe, es hat dir gefallen! Bei Fragen, Anmerkungen oder Kritik freue ich mich über einen Kommentar!

Niklas


Credits: Alle Texte stammen von mir, Artikelbilder sind wenn nicht anders vermerkt CC0-Lizenz-Material oder wurden von mir selbst aufgenommen/gestaltet (Bilder im Beitrag „Was interessiert mich Gaming?“, Interview-Porträits von Pia D., Svea L. & Annika Rüegsegger, Headerbild „Female Faces“). Vielen Dank fürs Lesen und die netten Interviews mit allen Beteiligten!


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Glossar: Was heißt noch gleich…

Nicht so vertraut mit Gaming-Begriffen oder Feminismus-Vokabeln? Kein Problem: Hier findet ihr alphabetisch aufgelistet einige Ausdrücke, über die ihr beim Lesen des Blogs eventuell gestolpert seid.

Android ist der Name eines Betriebssystems von Google, das für zahlreiche mobile Geräte (Smartphones, Tablets, Notebooks etc.) verfügbar ist und über das sich auch zahlreiche Videospiele abspielen lassen.

Asexuelle Menschen haben kein Interesse an Geschlechtsverkehr oder fühlen sich von anderen Personen nicht sexuell angezogen. Asexualität schließt Ausrichtungen wie Homo- oder Heterosexualität nicht aus.

Cosplaying bezeichnet das Verkleiden als Figur aus einem Videospiel, Manga, Anime, Film, Comic oder einer Serie. Dabei wird in der Regel ein hoher Wert auf ein originalgetreues Aussehen gelegt. Diese Fanpraxis stammt ursprünglich aus Japan, genießt aber heutzutage auch in Europa oder Amerika ein hohes Ansehen.

Discord ist der Name eines kostenlosen PC- und Mobile-Programms, das vor allem unter Gamer*innen zur Kommunikation über Chats sowie Sprach- und Videokonferenzen genutzt wird.

E-Sports ist ein Begriff für kompetitive Mehrspieler-Wettkämpfe, die in Videospielen ausgetragen werden. Vergleichbar mit Tennis oder Fußball gibt es auch in im E-Sports Einzelsportler und Mannschaften, die in Ligen und Turnieren miteinander konkurrieren und um hohe Preisgelder spielen. Noch ist E-Sports in Deutschland nicht als offizielle Sportart angesehen.

Gamerleaks und GamerleaksDE waren zwei Hashtags, unter denen Spieler*innen seit Ende 2018 – vorwiegend über den Kurznachrichtendienst Twitter – über ihre Erfahrungen mit Sexismus im Gaming berichteten.

gamescom ist der Name der weltweit größten Computer- und Videospielmesse. Sie findet jährlich in Köln statt und konnte 2019 mehr als 370.000 Besucher verzeichnen.

Gender Pay Gap ist ein Begriff für die Lohnunterschiede, die in etlichen Ländern zwischen den verschiedenen Geschlechtern festgestellt werden können.

Hate Speech bezeichnet Aussagen, in denen Personen und Gruppen abgewertet oder angegriffen werden, zum Beispiel aufgrund ihrer Sexualität, Ethnie oder Religionsangehörigkeit.

Intersexuelle Menschen haben biologische Besonderheiten in der Geschlechterdifferenzierung und zeichnen sich dadurch meist sowohl durch männliche als auch durch weibliche Geschlechtsmerkmale aus.

iOS ist der Name des Betriebssystems, das auf Produkten des Herstellers Apple installiert ist. Dazu gehören unter anderem iPhones und iPads. Im App-Store von iOS stehen auch etliche Videospiele zum Download zur Verfügung.

LGBT ist eine Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender. Sie steht für eine Gemeinschaft von Personen, die in ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder ihrem körperlichen Geschlecht Abweichungen von der Norm aufweisen. Es existieren verschiedene weitere Abkürzungen wie LGBTQIA+, die noch weitere Personengruppen einbeziehen, in diesem Fall auch queere, intersexuelle und asexuelle Menschen.

Mixer ist der Name einer Plattform zum Videostreaming von Microsoft. (siehe Twitch)

Mysogenie ist ein anderer Begriff für Frauenhass.

Publisher sind die Herausgeber von Videospielen, analog zu Verlägen bei Büchern.

Queer ist ein Begriff, der auch Menschen einschließen soll, die sich in anderen Geschlechtsidentitäten und -zuweisungen nicht wiederfinden.

Teamspeak ist der Name eines Online-Dienstes für Sprachkonferenzen, der unter anderem von Gamer*innen für ihre Kommunikation genutzt wird, während sie Videospiele spielen.

Twitch ist eine Livestreaming-Plattform mit ungefähr 150 Millionen aktiven Nutzern im Monat (2018). Sie wird primär von Gamer*innen, aber auch für andere Zwecke genutzt. Streamer*innen filmen sich beim Videospielen, kommentieren ihre Spielerfahrung und können über einen Live-Chat mit ihren Zuschauern interagieren. Auch Videospiel-Events oder E-Sports-Turniere werden häufig live über Twitch übertragen.


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Warum ich das mache? Hier gibt’s Infos über das Projekt Female Faces.

Empfehlungen: Noch mehr Frauen und Gaming

Hier endet zwar Female Faces, das Thema aber noch lange nicht. Konnte ich bei euch Interesse an der Situation von Frauen im Hobby und der Branche Gaming wecken? Dann gibt’s hier einige Empfehlungen zum Weiterstöbern.

Cecilia D’Anastasio: Inside The Culture Of Sexism at Riot Games

Das amerikanische Online-Magazin Kotaku gehört international zu den renommiertesten Plattformen, wenn es um Videospielberichterstattung geht. Neben News und Tests sorgen dabei vor allem immer wieder exklusive Insiderberichte für Aufsehen. Zum Beispiel Anfang des Jahres, als Jason Schreier riesige Entwicklungsprobleme und bedenkliche Crunch-Arbeitszeiten beim Entwicklerstudio Bioware aufdeckte. Oder vor wenigen Tagen bei Berichten über ehemalige Mitarbeiter, die dem Gründer des Indie-Publishers Nicalis unter anderem Rassismus, Homophobie und Behindertenfeindlichkeit vorwarfen. Stellvertretend für die teils wirklich hervorragende Investigativarbeit von Kotaku empfehle ich passend zum Thema dieses Blogs einen Artikel von Cecilia D’Anastasio. „Inside The Culture of Sexism at Riot Games“ brachte 2018 die Sexismus-Probleme der League of Legends-Entwickler an die Öffentlichkeit und zeigt den misogynen Arbeitsalltag, die Geschlechterdiskriminierung und die toxische Maskulinität, die auch heute noch in Entwicklerstudios herrscht.

Hier geht’s zum Artikel Inside The Culture Of Sexism At Riot Games.


Sabine Hahn: Gender und Gaming: Frauen im Fokus der Games-Industrie

In „Gender und Gaming: Frauen im Fokus der Games-Industrie“ steigt Sabine Hahn besonders tief in die Thematik ein. Auf Grundlage ihrer wissenschaftlichen Forschung an der Universität zu Köln gibt die Autorin umfangreiche Einblicke in die Videospielindustrie. Wie kam es dazu, dass das einstige Männerhobby Gaming plötzlich auch von Frauen verfolgt wird? Wie hoch ist die Relevanz des weiblichen Geschlechts als Zielgruppe und wie sehen eigentlich Spiele für Frauen aus? Diese und viele weitere Fragen untersuchte Hahn und zeichnete mit ihrer aufschlussreichen Ausarbeitung ein interessantes Bild eines im Gaming immer noch unterschätzten Geschlechts.

Sabine Hahn: Gender und Gaming. Frauen im Fokus der Games-Industrie | Erschienen: 2017 über: transcript (Bielefeld) | 223 Seiten | ISBN: 978-3-8376-3920-9 | 34,99 EUR.


1LIVE Level: Frauen im Gaming

Die 1LIVE-Podcastreihe „Level“ ist die frischste Empfehlung aus dieser Liste – es gibt sie nämlich erst seit Mitte August. In den einzelnen, knapp 30-minütigen Folgen spricht Joana Leyendecker mit Frauen über ihre Erfahrungen im Gaming-Kosmos. Bislang ging es dabei zum Beispiel schon um Berufe in der Gaming-Branche, die Situation von Frauen im eSports-Bereich, Sexismus gegenüber Streamerinnen und klassische Rollenklischees. In den lockeren, aber informativen Gesprächen erzählen die Gäste von spannenden Erfahrungen aus erster Hand.

Hier geht’s zu den Podcasts von 1LIVE Level.


Hooked: Die Hintergründe einer unwürdigen Gala: Der Computerspielepreis 2019

Robin Schweiger von dem unabhängigen Videospielmagazin Hooked zeigt in diesem rund 25-minütigen Video eindrucksvoll, wie der wichtigste deutsche Computerspielpreis 2019 vor die Wand gefahren wurde. Eine Moderation, die der Industrie, den Preisträger*innen und allen Gamer*innen unwürdig war. Die Veranstaltung war von beleidigendem und sexistischem Humor geprägt, ließ Entwickler*innen selbst kaum zu Wort kommen und brachte Laudator*innen auf die Bühne, deren Videospielkenntnis nicht über altbackene Klischees hinausging. Das alles zeigte, welches Bild von Gaming auch heute noch in Politik und Gesellschaft verankert ist. „Die Hintergründe einer unwürdigen Gala“ analysiert eine Veranstaltung, die dem Image der Kultur schadet und bringt zudem exklusive Informationen über die Hintergründe der Preisverleihung ans Tageslicht.

Hier kannst du dir das Video von Hooked ansehen:


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Female Faces – ein Fazit

Das ist das Ende dieser Artikelreihe. Was bleibt: Eine riesige Unterhaltungsindustrie, komplexe Problemfelder und ein Blick auf die Gesamtheit unserer Gesellschaft. Ein Fazit.

Gaming hat ein Sexismus-Problem. Das zeigt sich bei Spielerinnen, die online beleidigt, belästigt und diskriminiert werden. Das zeigt sich in der männerdominierten Entwicklerszene und in den weiblichen Spielfiguren, die sie kreiert. Das zeigt sich in unserer Gesellschaft, in der Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, auf täglicher Basis mit sexistischen Kommentaren konfrontiert werden. Und es zeigt sich zu guter Letzt in den Köpfen aller, die nach wie vor denken, Gaming sei nur ein Hobby für Männer.

Gaming als Spiegel der Gesellschaft

Wichtig ist: Das ist kein Phänomen, das nur im Gaming vorkommt. Viel mehr ist die Videospielindustrie ein beispielhaftes Abbild für eine Gesellschaft, in der das weibliche Geschlecht an zahlreichen Ecken benachteiligt wird. Doch nur eine differenzierte Betrachtung hilft, den Ursachen auf den Grund zu gehen: Zwar sind beinahe 50 Prozent aller Gamer*innen weiblich, doch vielleicht identifizieren sie sich weniger als solche. Denn Smartphone-Apps und Casual-Games zählen genauso zu Videospielen, wie epochale Rollenspiele oder kompetitive Multiplayer-Shooter. Und in vielen Spielen werden weibliche Charaktere als schwaches Geschlecht dargestellt – eine Folge von Strukturen, die Frauen in den Herkunftsländern eben dieser Spiele immer noch stark benachteiligen.

Mindestens genauso wichtig ist: Es tut sich was. Förderungen für mehr Frauen in MINT-Studiengängen und millionenschwere Videospielproduktionen mit weiblichen, nicht übersexualisierten Heldinnen. Medienwirksame Diskurse rund um #Gamerleaks und Videospiele, deren Entwicklung symbolträchtig von Frauen geleitet werden. Und eine steigende Aufmerksamkeit für die Thematik, die zeigt, dass die Relevanz von Gaming in unserer Gesellschaft zunehmend erkannt wird.

Doch genau wie das Problem ist auch die Lösung interdisziplinär. Denn Gaming verbindet Politik und Wirtschaft, Hobby und Beruf, Kultur und Freizeit, Spaß, Trauer, Spannung und Bildung. Gaming ist ein Resultat unseres Frauenbildes und festigt es zugleich selbst. Gaming ist ein wichtiger Abschnitt auf dem langen Weg zu wahrer Chancengleichheit. Und der erste Schritt auf diesem Weg ist in meinen Augen: Aufklärung.

Danke fürs Lesen!


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Warum Videospiele politisch sein sollten

Die Anzahl von Videospielenden liegt weltweit bei mehr als einer Milliarde Menschen. Games sind eine Kunstform, die etliche Menschen erreicht, unterhält, bewegt und zum Denken anregt. Ich bin der Meinung: Videospiele sollten deutlicher Stellung beziehen.

Wie ein Kinderspiel diskriminierend wurde

Tomodachi Life ist auf den ersten Blick ein sehr harmloses Spiel. In der ulkigen Lebenssimulation, die 2013 für Nintendos 3DS erschienen ist, zieht der Spielende auf eine Insel, interagiert mit anderen Figuren und macht in kleinen Minispielen Musik, fährt Achterbahn oder führt Tänze auf. Präsentiert wird alles knallbunt, drollig und niedlich. Die Hauptzielgruppe: Offensichtlich vor allem sehr junge Spieler*innen.

Und doch musste sich Entwickler und Publisher Nintendo einer Kontroverse stellen. In Tomodachi Life kann sich die eigene Spielfigur verlieben und sogar heiraten – allerdings nur Charaktere, die dem anderen Geschlecht angehören. Es dauerte nicht lange und unter dem Schlagwort #Miiquality entstand eine Online-Kampagne, die sich für Gleichheit für Miis, die Spielfiguren in Tomodachi Life, einsetzte. Die Forderungen der Bewegung: Nintendo solle auch homosexuelle Partnerschaften in das Spiel integieren.

Nintendo begründete die Entscheidung damit, dass Tomodachi Life nie ein gesellschaftliches Statement sein sollte. Stattdessen handele es sich um eine fiktive Welt, die in ihrer Simulation nicht das echte Leben darzustellen versuche. Nach weiterer Kritik ruderte Nintendo schließlich zurück, entschuldigte sich und versicherte, man würde im Falle einer möglichen Fortsetzung versuchen, das Spiel offener zu gestalten.

Ein möglicher Grund, warum sich Nintendo bei dieser Entscheidung schwertat: In Japan, der Heimat des Unternehmens, sind homosexuelle Partnerschaften nach wie vor weit davon entfernt, mit heterogeschlechtlichen Partnerschaften gleichgestellt zu werden. Nur wenige Kommunen erkennen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften an – der Großteil Japans bleibt konservativ.

Kunst schafft Bewegung

Doch Kunst dient schon seit Urzeiten als Spiegel der Gesellschaft, erzielt Aufmerksamkeit und sorgt für Diskurse. Ob George Orwells weltberühmter Roman 1984 oder die dystopische Science-Fiction-Serie Black Mirror: Deutliche Gesellschaftskritik zieht sich durch alle Kunstformen. Hiphop-Musiker Macklemore und Produzent Ryan Lewis veröffentlichten ihren Song „Same Love“ 2012 während der Kampagne zum Referendum 74 in Washington, welches letztlich zur Legalisierung der Homo-Ehe im US-Bundesstaat führte. Der Song wurde kurzerhand zur vereinenden Hymne für die Gleichberechtigung von Homosexuellen.

Kunst wirkt – und doch schrecken viele Videospielentwickler nach wie vor davor zurück, deutliche Zeichen zu setzen oder sich zu politischen Statements zu bekennen. Ubisoft hat vergangenen März mit The Division 2 ein millionenfach verkauftes Spiel veröffentlicht. Es geht um Terrorismus, Regierungskonflikte, Bürgerkriege – im fiktiven USA der Zukunft. Auch wenn Anspielungen auf aktuelle Strömungen deutlich sind – Ubisoft distanziert sich von politischen Haltungen. Als nächster Top-Titel steht für Ubisoft das Open World-Abenteuer Watch Dogs 3 auf dem Plan, das in einer Art Post-Brexit-London spielt. Gerade in Anbetracht der Reichweite von Ubisofts Videospielen würde ich mir wünschen, das sie in ihnen deutlicher Stellung beziehen.

Keine Geschlechter in Cyberpunk 2077

Das dystopische Rollenspiel Cyberpunk 2077 verspricht ein großer finanzieller Erfolg zu werden. Das letzte Spiel des polnischen Entwicklers CD Project Red – The Witcher 3: Wild Hunt – ergatterte mehrere hundert Auszeichnungen und wurde inzwischen mehr als 20 Millionen mal verkauft. Das schraubt die Erwartungen an Cyberpunk 2077 hoch: Fans freuen sich über jeden Infohappen zum Spiel, stellen Theorien auf und warten sehnlichst auf die Veröffentlichung des Spiels im kommenden April.

Ende August sorgte jedoch eine etwas andere Meldung für Gesprächsstoff und ist fünf Jahre später ein deutlicher Kontrast zur eingangs erwähnten Debatte rund um Tomodachi Life. In einem Interview mit der britischen Zeitschrift Metro verriet Marthe Jonkers, Lead Artist von CD Projekt Red, dass es bei der Charaktererstellung von Cyberpunk 2077 keine Geschlechterwahl geben soll.

Dass man sich zu Beginn eines Videospiels die eigene Spielfigur selbst erstellt – also Geschlecht, Haarfarbe, Figur, Kleidung frei wählt – ist besonders bei Rollenspielen weit verbreitet. In Cyberpunk 2077 soll nun aber ausgerechnet die Wahl des Geschlechts, die meist am Anfang des Editors steht, ausbleiben. Stattdessen wählt man lediglich einen Körpertypen und auch die Wahl der Stimme erfolgt nicht gebunden an das Geschlecht der Hauptfigur. Damit wolle man laut Jonkers ein inklusives Spielerlebnis fördern und Spieler*innen die Möglichkeit geben, ihren Charakter ganz nach den eigenen Wünschen zu gestalten. Zusätzlich soll dieser Ansatz auch durch eine große Anzahl an Hauttönen, Tattoos und Frisuren unterstützt werden.

Nicht nur in der Videospielindustrie, sondern auch besonders in Hinblick auf die polnische Herkunft des Entwicklerstudios ist diese Haltung ausgesprochen progressiv. In einem Land, in dem sich die Regierungspartei PiS für LGBT-freie Zonen einsetzt und der Regierungschef Homosexuelle als „Bedrohung“ für das Land sieht, setzt CD Projekt Red ein bedeutsames Zeichen – und kann damit zum Vorbild für alle Entwicklerstudios werden.


Gaming spielt eine wichtige Rolle – auch für den Rest unserer Gesellschaft. Die Industrie steckt voller Probleme, bietet aber auch zahlreiche Chancen. Female Faces – ein Fazit.

Entwicklerinnen: Eine benachteiligte Minderheit

Frauen werden am Arbeitsplatz benachteiligt. Unternehmen bevorzugen Männer bei gleicher Qualifikation, Frauen werden schlechter bezahlt oder sogar sexuell belästigt. Ein Problem, das auch in der Entwicklung von Videospielen nicht ausbleibt.

Männerberuf Videospielentwickler

In Deutschland zeichnet sich bei der Geschlechterverteilung nach Berufsgruppen ein deutliches Bild ab. Eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit stellte 2017 dar, dass Frauen nach wie vor primär in Erziehungs- und medizinischen Gesundheitsberufen tätig sind. Metallerzeugung, Mechatronik, IT – alles weiterhin Branchen, die klar männerdominiert sind und einen Frauenanteil von teilweise deutlich unter 20 Prozent haben. Auch die Videospielentwicklung ist ein Berufsfeld, in dem vor allem Männer beschäftigt sind. Laut der International Game Developers Association machte der weltweite Anteil weiblicher Entwickler 2017 nur 21 Prozent aus.

Doch nicht nur die Quote ist entscheidend, denn auch die Bezahlung weist messbare Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf. Stichwort „Gender Pay Gap“: Der geschlechterspezifische Lohnunterschied ist ein Phänomen, das nicht nur in der Videospielentwicklung, sondern in sämtlichen Berufsfeldern auftritt. Im europäischen Ländervergleich schnitt Deutschland 2016 sogar besonders schlecht ab: Hierzulande betrug der Unterschied in den Stundenlöhnen 21,5 Prozent – nur die Tschechische Republik und Estland wiesen noch größere Ungleichheiten auf.

In Großbrinannien sind die Lohnunterschiede in der Videospielentwicklung sogar höher als die durchschnittliche Gender Pay Gap des Landes. Auch Bonuszahlungen erhielten weibliche Mitarbeiter seltener als ihre männlichen Kollegen. Zwischen den befragten britischen Entwicklerstudios gab es dabei deutliche Unterschiede. Rockstar Games North, die an der Entwicklung von Grand Theft Auto V, einem der erfolgreichsten Videospiele der letzten Jahre, beteiligt waren, stachen mit einer durchschnittlichen Gender Pay Gap von 34,4 Prozent besonders hervor.

Belästigung auf der Arbeit

Besonders in männerdominierten Berufen werden regelmäßig Stimmen über Diffamierung und Sexismus am Arbeitsplatz laut. Auch in der Videospielindustrie gelangten innerhalb der letzten zwei Jahren mehrere Vorwürfe über sexistische Arbeitsbedingungen an die Öffentlichkeit. Ex-Mitarbeiter*innen kritisieren das französische Entwicklerstudio Quantic Dream für eine rassistische und sexistische Arbeitskultur und auch League of Legends-Entwickler Riot Games musste sich jüngst Sexismusvorwürfen stellen. Keine Einzelfälle: Branchenübergreifend hatte jede vierte berufstätige Frau laut eigenen Angaben bereits einmal mit sexueller Diskriminierung am Arbeitsplatz zu tun.

Für mehr Entwicklerinnen

Um der Benachteiligung von Frauen entgegenzuwirken, machen sich auch einige Videospielentwickler und Publisher für mehr Geschlechtergerechtigkeit stark. Ein Beispiel: Andrew Wilson, CEO von Electronic Arts (FIFA, Battlefield, Die Sims), setzt sich seit zwei Jahren als Teil der UN Women-Solidaritätskampagne HeForShe ein. Damit möchten er und Electronic Arts die Gleichberechtigung der Geschlechter fördern – in der eigenen Unternehmenskultur und darüber hinaus. Auch von staatlicher Seite existieren diverse Initiativen, die sich für mehr Frauen in der Videospielentwicklung oder anderen MINT-Berufen einsetzen. Darunter bundesweite Förderungen zur Steigerung der Frauenquote, Stipendien und Programme, die Mädchen schon früh auch für „typische Männerberufe“ begeistern sollen.


Entwickler*innen kreieren Spiele, die mitunter ein Millionenpublikum erreichen. So werden Videospiele als Kunstform zum Sprachrohr einer ganzen Industrie. Warum Videospiele politisch sein sollten.

Mehr als nur Deko – Interview mit Entwicklerin Annika Rüegsegger

>> Auf Events wie der gamescom merkt man aber manchmal schon, dass die Leute mehr das Gefühl haben, man sei nur Dekoration. <<

Die Geschlechterverteilung in der Videospielentwicklung ist eindeutig: Statistiken zeigen, dass 2017 weltweit knapp drei Viertel aller Entwickler*innen männlich waren. In der Indie Arena Booth, einer Art Gemeinschaftsstand kleiner Entwicklerstudios aus aller Welt, sprach ich mit Annika Rüegsegger. Als Teil des Züricher Entwicklerstudios Maniax Games arbeitet die junge Game Designerin am Multiplayer-Arena-Shooter Retimed. Wie denkt Sie über ihre Rolle in einer männerdominierten Branche?


Wie verlief dein Weg zur Videospielentwicklerin?

Als ich das Gymnasium in der Schweiz abgeschlossen hatte, wusste ich schon, dass ich mal etwas mit Design machen möchte. Damit ich das aber überhaupt an einer Kunsthochschule studieren konnte, musste ich zunächst eine Art gestalterischen Vorkurs besuchen. In diesem Kurs erzählte man mir, dass man an der Zürcher Hochschule der Künste auch Game Design studieren kann. Da dachte ich mir: Du möchtest etwas mit Design studieren und spielst gerne – warum nicht beides kombinieren? Also habe ich mein Studium in Zürich gestartet und schon im letzten Studienjahr gemeinsam mit meinem Kommilitonen Max begonnen, unser gemeinsames Spiel Retimed zu entwickeln. Das hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir heute – ungefähr zwei Jahre nach Abschluss unseres Studiums – in Vollzeit am Spiel arbeiten. 

Glaubst du, du hattest es auf dem Weg zum Beruf schwieriger als ein Mann? Fühlst du dich als weibliche Entwicklerin manchmal belächelt?

Während meines Studiums hatte ich damit eher keine Probleme. In unserem Jahrgang waren wir ungefähr ein Drittel Frauen, bei späteren Jahrgängen war die Geschlechterverteilung sogar etwa 50:50. Was den Frauenanteil angeht, merkt man, dass die Schweiz teilweise schon deutlich weiter ist als andere Länder. Auf Events wie der gamescom merkt man aber manchmal schon, dass die Leute mehr das Gefühl haben, man sei nur Dekoration. Wenn man dann sagt, dass man selbst an dem Spiel entwickelt hat, sind die Leute meist verblüfft. Aber ich finde das meistens eigentlich ganz lustig, so für einen Überraschungsmoment sorgen zu können.

Warum glaubst du ist es auch heute noch so, dass sich vor allem Männer für Berufe in der IT oder auch der Videospielentwicklung entscheiden?

Ich habe das Gefühl, das liegt daran, dass es für Frauen noch nicht ausreichend gefördert wird. Außerdem ist es denke ich immer schwierig, wenn man in ein Gebiet kommen möchte, dass vom anderen Geschlecht dominiert wird. Das gilt nicht nur für Frauen, die in die Videospielentwicklung gehen, sondern auch für Männer, die zum Beispiel Kindergärtner werden wollen.

Hattest du damals Vorbilder?

Auf jeden Fall! Für mich war es vor allem Philomena Schwab. Sie studierte damals auch an der Zürcher Hochschule der Künste und gilt heute als Vorzeigefigur für Game Design in der Schweiz. Außerdem ist sie viel in der Politik tätig und zudem Publisher unseres eigenen Spiels.

Glaubst du es würde jungen Mädchen helfen, wenn mehr Videospielentwicklerinnen in der Öffentlichkeit stehen würden?

Ich bin mir sicher, dass das vielen helfen würde. Auch Stevie Case, die Ex-Frau von John Romero (Anm: Entwickler der wegweisenden Ego-Shooter Doom, Wolfenstein & Quake) war eine beeindruckende und wichtige Frau in der Gaming-Szene. Beide waren damals zusammen auf einem Festival von uns. Als Romero die Bühne betrat, sagte er: „Jeder kennt mich als den Mann von Stevie Case“. Kein Wunder: Sie hat schließlich schon vor ihm programmiert und Spiele entwickelt. Das war besonders für die damalige Zeit sehr eindrucksvoll!

Tragen Videospielentwickler*innen auch Verantwortung mit dem, was sie in ihren Spielen kreieren?

Meiner Meinung nach sollte man schon dafür sorgen, dass man in den Videospielen für Diversität sorgt. Nicht nur für die Gleichberechtigung: Ich finde es ist auch einfach langweilig, wenn die Hauptperson immer genau gleich aussieht. Erschafft man also unterschiedliche Charaktere, sorgt das letztlich auch für mehr Spielspaß!

Vielen Dank für das freundliche Interview!


Die Videospielentwicklung hat Schattenseiten – Frauen sind in der Unterzahl, werden schlechter bezahlt, im Job belästigt. Entwicklerinnen: Eine benachteiligte Minderheit.

Meine Videospielheldinnen der gamescom 2019

Auch wenn männliche Videospielhelden das Feld weiter dominieren, gibt es doch zahlreiche Titel, in denen weibliche Figuren im Mittelpunkt stehen. Ich habe mich auf der gamescom 2019 einmal umgeschaut und meine Spiele-Highlights mit weiblichen Hauptrollen zusammengetragen.

Gehirnjogging in London – Layton’s Mystery Journey: Katrielle und die Verschwörung der Millionäre

Unter dem Titel „Professor Layton“ erschien zwischen 2007 und 2009 eine Reihe sehr erfolgreicher Rätselspiele für den Nintendo DS. Als Spieler begleitete man dabei immer den namensgebenden Professor und seinen 13-jährigen Lehrling Luke bei der Auflösung von Kriminalfällen oder der Untersuchung mysteriöser Vorkomnisse. Dabei galt es Tatorte zu untersuchen, nach Hinweisen Ausschau zu halten und die Rätsel zu lösen, die einem andere Figuren regelmäßig stellten. Manchmal waren das nur simple Streichholz-Rätsel, oft wurde man aber auch mit Matheknobeleien und Rätselgeschichten dazu gebracht, ein bisschen „out of the box“ zu denken. Besonders durch die hübsche Zeichentrick-Präsentation, die gelungene Integration der Rätsel in die vielschichtigen Geschichten und die charmanten Charaktere konnte mich die Rätselreihe damals begeistern. Später erschienen auch noch einige weitere Ableger für den Nintendo 3DS, iOS und Android, die aber nicht ganz an den Erfolg und Kultstatus der ersten Spiele anknüpfen konnten. Insgesamt wurden weltweit mehr als 17 Millionen Exemplare der Spielereihe verkauft.

Trailer zur 3DS-Version von Layton’s Mystery Journey: Katrielle und die Verschwörung der Millionäre

Für die Nintendo Switch – Nintendos Hybrid aus Heimkonsole und portablem Handheld – soll dieses Jahr noch ein weiteres Spiel aus dem Professor Layton-Universum erscheinen. Layton’s Mystery Journey: Katrielle und die Verschwörung der Millionäre ist aber eher ein Spinoff der Rätselsreihe: Anstelle von Professor Layton tritt seine Tochter Katrielle ins Rampenlicht. Als angehende Ermittlerin eröffnet sie ein eigenes Detektivbüro in Großbritanniens Hauptstadt London und wird dort mit den unterschiedlichsten Kriminalfällen konfrontiert. Aber auch wenn in diesem Ableger eine neue Protagonistin im Mittelpunkt steht, ändert das nichts am eigentlichen Spielprinzip. Noch immer wird mit Leuten gesprochen, es werden Hinweise gesammelt und Rätsel gelöst.

Ursprünglich erschien das Spiel bereits vor zwei Jahren für Smartphones und den Nintendo 3DS – für die Version auf der Nintendo Switch haben die Entwickler*innen das Spiel aber noch um einige Aspekte erweitert. Die zusätzlichen Extra-Outfits für die Protagonistin werden vermutlich die wenigsten Spieler*innen vom Hocker reißen, mit insgesamt 40 zusätzlichen Detektivaufgaben bietet die „Deluxe Edition“ aber durchaus einen Mehrwert zur Originalfassung. Das Rad der Reihe wird Layton’s Mystery Journey dabei ganz sicher nicht neu erfinden und wer das Spiel bereits auf einer anderen Plattform gespielt hat, wird in der neuen Version bestimmt nicht viel verpassen. Doch die Rätsel, die ich auf der gamescom 2019 probespielen konnte, machten definitiv Lust auf mehr Knobelei auf meiner Nintendo Switch. Ob auch die Story unterhält und die Rätsel langfristig auf einem hohen, fordernden Niveau bleiben, zeigt sich am 8. November.

Layton’s Mystery Journey: Katrielle und die Verschwörung der Millionäre Deluxe Edition | Plattform: Nintendo Switch | Entwickler: Level-5 | Release: 08.11.2019

Der Übernatürlichkeit auf der Spur – Control

Auch im Action-Adventure Control schlüpft ihr in die Rolle einer weiblichen Heldin. Ihr steuert nämlich Jesse Faden, die durch gewisse Ereignisse kurzerhand zur Direktorin des Federal Bureau of Control wird, einer geheimen Organisation der amerikanischen Regierung, die sich mit Übernatürlichem und Mystischem befasst. Eigentlich wollte sie nur ihrer eigenen Vergangenheit auf den Grund gehen – denn auch sie selbst verfügt über besondere Fähigkeiten. Es dauert aber nicht lange und plötzlich steckt Jesse in viel größeren Problemen: Es liegt an ihr, eine gefährliche, übernatürliche Bedrohung – das sogenannte „Zischen“ – zu bekämpfen.

Gamescom-Trailer zu Control

Auch wenn die Prämisse etwas verrückt klingt, hatte ich hohe Erwartungen an Control. Das Spiel stammt von dem finnischen Entwicklerstudio Remedy Entertainment, das auch schon in früheren Spielen wie Alan Wake oder Quantum Break stets einen Hang zu übernatürlichen Themen hatte. Bislang war die Trefferquote der Entwickler*innen hoch: Sowohl spielerisch als auch in der Erzählung konnten die vergangenen Games des Entwickerstudios punkten. Und auch die Demoversion von Control fing mich binnen weniger Minuten mit ihrer dichten Atmosphäre. Die stilsichere Präsentation zieht den Spieler mit stimmungsvollen Lichteffekten und merkwürdigen, surrealen Darstellungen in ihren Bann. Außerdem spielt sich Jesse einfach nur unglaublich spaßig: Während ich mich im Hauptquartier des Federal Bureau of Control umsehe, treffe ich mehrmals auf Gegner. Eine geschickte Kombination aus telekinetischen Fähigkeiten und Schusswaffen später sind die Widersacher erledigt. Lässt man außerdem noch einige Gegenstände herumschweben und pfeffert sie effektreich auf seine Gegner, belohnt einen das Spiel nicht nur mit einem audiovisuellen Feuerwerk, sondern verpasst einem auch ein mächtiges Superhelden-Gefühl.

Control erschien bereits kurz nach der gamescom für Sonys Playstation 4, Microsofts Xbox One und den PC. Auch die Vollversion kam überwiegend positiv an: Die Fachpresse lobte die abwechslungsreichen und packend inszenierten Kämpfe sowie die fesselnde Geschichte des Spiels. Teilweise wurden aber die schlechte Mimik der Figuren, die verwirrende Navigation in der Spielwelt und die deutsche Sprachausgabe, die nicht ganz lippensynchron ist, kritisiert.

Control | Plattform: Playstation 4, Xbox One, PC | Entwickler: Remedy Entertainment | Release: 27.08.2019

Inmitten der Beziehungskrise – Catherine Full Body

Das dritte und letzte Highlight-Spiel ist ein komplettes Kontrastprogramm zu den ersten beiden Games. Im Kern ist Catherine: Full Body zwar Rätselspiel – also gar nicht so weit von Layton’s Mystery Journey entfernt – und doch könnten die Unterschiede zwischen den Titeln kaum größer sein. Das beginnt schon bei der Story: Ihr schlüpft in die Rolle von Vincent Brooks, Anfang 30, der nach einem feuchtfröhlichen Trinkabend mit seinen Kumpels am folgenden Morgen neben einer unbekannten Frau – Catherine – aufwacht. Das Problem an der Geschichte: Er hat so seine langjährige Freundin – Katherine (ja, die Namen unterscheiden sich tatsächlich nur im Anfangsbuchstaben) – betrogen. Was aus diesem simplen Handlungsgerüst entsteht, ist eine unheimlich unterhaltsame Geschichte rund um Beziehungen, Ängste, Eifersucht und Freiheiten. Kurzum: Erwachsene Themen, die in Videospielen nur selten so stark in den Vordergrund rücken. Catherine und Katherine sind dabei zwar nicht die Protagonistinnen, spielen aber trotzdem die zentrale Rolle – als Freundin, als Antagonistin und als Auslöserin von riesigem Gefühlschaos.

Trailer zu Catherine: Full Body

Das Spielprinzip dreht sich mitunter rund um Gespräche, die ihr als Vincent mit Katherine, Catherine und Freunden in eurer Stammkneipe führt. Aufregend wird das besonders dadurch, dass sich in den Interaktionen auch bei den anderen Figuren tiefsitzende Probleme und Dilemmata offenbaren, die ihr sogar mit euren Entscheidungen beeinflussen könnt. Am Ende eines jeden Tages zeigt sich dann aber der wahre Gameplay-Kern von Catherine: Full Body. Denn seit kurzem wird Vincent von wiederkehrenden Albträumen geplagt, in denen er hohe Türme aus Blöcken besteigen muss. Und hier kommen auch die Mechaniken ins Spiel, die Catherine zu einem Puzzle-Game machen: Damit Vincent nach oben gelangen kann, muss er einige Blöcke herausziehen, andere in die hintere Ebene schieben und sich geschickt an Kanten entlang hangeln. Vincent ist kein Profikletterer, sodass ihr euren Kopf anstrengen müsst, um ihn an neue Orte zu befördern und ihm an die Spitze des Turms zu verhelfen. Damit es nicht zu einfach bleibt, wird das Prinzip durch den hohen Zeitdruck und spezielle Hindernisse regelmäßig aufgefrischt – und so teilweise echt knackig schwer. Heruntergebrochen gibt es in Catherine: Full Body also eine Reihe von Schieberätseln – durch die packende Inszenierung von Vincents Gefühlschaos und einer Menge Symbolik sind diese aber optisch so in Szene gesetzt, wie ihr sie zuvor noch nie gesehen habt.

Catherine: Full Body wurde von dem japanischen Entwicklerstudio Atlus Studio Zero für die Playstation 4 sowie die Xbox One entwickelt und ist eine erweiterte Version von Catherine aus dem Jahre 2011. Neu sind einige erweiterte Story-Pfade, zusätzliche Musik und eine etwas aufgehübschte Optik. Das Ergebnis: Ein hochspannendes Puzzle-Spiel und ein acht Jahre alter Geheimtipp, der auch heute noch mit seinen Qualitäten zu überzeugen weiß. Catherine Full Body erschien in Europa bereits am 3. September, also schon kurz nach der gamescom 2019.

Catherine: Full Body| Plattform: Playstation 4, Xbox One | Entwickler: Atlus Studio Zero | Release: 03.09.2019


Und wie denkt man als Videospielentwicklerin über weibliche Heldinnen? Welche Verantwortung trägt man bei der Kreierung von Spielen und wie fühlt man sich in einem männerdominierten Berufsfeld? Mehr als nur Deko – Interview mit Entwicklerin Annika Rüegsegger.

Wie Frauen in Videospielen präsentiert werden

Frauen werden nicht nur außerhalb, sondern auch in Videospielen benachteiligt. Sexismus gegenüber computermodellierten Personen – kann es so etwas überhaupt geben? Videospielheld*innen sind Teil der Gaming-Kultur, mit Auswirkungen auf gesellschaftliche Geschlechterrollen.

Heldinnen braucht das Land

Wirft man einen Blick auf die zehn meistverkauften PC- und Konsolen-Spiele des letzten Jahres, fällt schnell auf: Die Hauptfiguren sind überwiegend männlich. In Mario Kart 8 Deluxe, Call of Duty: Black Ops 4 und Super Mario Party können Spieler Charaktere mit verschiedenen Geschlechtern wählen. Die Fußballsimulation Fifa 19 fällt auch raus – schon seit Fifa 16 bietet Entwickler Electronic Arts die Möglichkeit, Partien mit Frauenfußballmannschaften auszutragen.

Bleiben noch sechs Titel, die keine Geschlechterwahl haben – allesamt storybasierte Videospiele, die den Spieler in die Rolle eines männlichen Protagonisten versetzen. Es ist natürlich kein Verbrechen, die Hauptfigur männlich zu besetzen, doch in der Gesamtheit zeichnet sich so ein ähnliches Bild ab, wie in der amerikanischen Filmindustrie. In Hollywood kann zwar ein deutlicher Anstieg weiblicher Hauptrollen festgestellt werden, doch auch hier überwiegen nach wie vor die Männer, die zudem im Durchschnitt deutlich mehr verdienen als ihre Kolleginnen.

Frauen bleiben klassisch

Geringere Bezahlungen müssen Videospielcharaktere nicht fürchten. Dennoch kann auch diese Verteilung Auswirkungen auf tatsächliche Jobs in der Branche haben, etwa für Synchronsprecher*innen oder Schauspieler*innen, die bei Motion-Capturing-Aufnahmen zum Einsatz kommen. Kritisch sind auch die klassischen Rollenbilder, die häufig durch die Charaktere in Videospielen vermittelt werden. Männliche Figuren werden als stark, dominant und unerschrocken charakterisiert während die Entwickler*innen weiblichen Charakteren eher fürsorgliche und schüchterne Eigenschaften verpassen. Auch keine Seltenheit: Vor allem in Rollenspielen oder Visual Novels aus Japan werden weibliche Charaktere stark sexualisiert. Knappe Röcke, große Brüste und tiefe Ausschnitte präsentieren weibliche Figuren nicht als handlungsrelevante Personen, sondern als Schmuckobjekt.

Natürlich sind solche Darstellungen nicht in jedem Videospiel der Fall. Vor allem in den vergangenen Jahren zeigten große Videospielproduktionen wie Horizon Zero Dawn, Shadow of the Tomb Raider oder Hellblade Senua’s Sacrifice, dass Protagonistinnen nicht in Geschlechterklischees verfallen müssen und die klassche Krieger-rettet-Prinzessin-Handlung längst überholt ist.

Gamer*innen kritisieren Frauenbild

Doch wie sehen Gamer*innen dieses Problem? Eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom hat ergeben, dass die Mehrheit deutscher Spieler*innen der Meinung ist, das durch Videospiele vermittelte Frauenbild sei unangemessen. Auffallend stark ist diese Ansicht in der weiblichen Spielergruppe vertreten (82 Prozent), doch auch männliche Gamer teilten die Einstellung.

Im Endeffekt ist bei der Darstellung von Frauen auch immer der Rahmen entscheidend. Videospiele gelten heutzutage auch in Deutschland als Kulturgut – Freiheiten, die für andere Kunstformen wie Film oder Musik gelten, sollten also auch das Gaming betreffen. Nicht nur die Darstellung von Frauen löste schon Debatten aus, auch andere Fragen rund um Diversität in Videospieluniversen sorgten für Diskussionsbedarf.

Historisch oder rassistisch?

Sehr prominent war hier vor einiger Zeit das Beispiel des Mittelalter-Rollenspiels Kingdom Come: Deliverance. In diesem Spiel waren den Entwickler*innen Realismus und Authentizität besonders wichtig. Das sollte nicht nur das Kampfsystem zeigen, sondern auch Handlungen, Umgebungen und Charaktere. Kritisiert wurde bereits vor der Veröffentlichung des Titels, dass im Spiel lediglich weiße Figuren vorkommen. Der leitende Entwickler, Daniel Vavra, wehrte die Rassismusvorwürfe von sich ab und begründete seine Entscheidung damit, dass es im mittelalterlichen Böhmen nun mal keinen bedeutsamen Bevölkerungsanteil an Nichtweißen gegeben hätte. Diverse Historiker*innen hielten dagegen und beteuerten, es habe auch schon in dieser Zeit Immigrant*innen aus anderen Bevölkerungsgruppen gegeben.

Die Debatte wurde letztlich nicht nur geschichtswissenschaftlich anhand des Spiels geführt, sondern leider von weiteren Rassimusvorwürfen gegenüber Vavra überschattet. Was dieser Fall aber zeigt: Da Videospiele als Kunstform gelten, sollten auch Entwickler*innen die Möglichkeit haben haben, Figuren im Rahmen von geschichtlichen Kontexten in alten Rollenbildern zu zeigen. Das gilt – wenn historisch korrekt – für das Auftauchen gewisser Ethnien genauso wie für Geschlechterrollen. In der Praxis betrifft das aber nur einen Bruchteil aller Games. Denn das aktuelle Bild, was viele Videospiele von Frauen vermitteln, ist ein klares Resultat fehlender gesellschaftlicher Gleichstellung – nicht die Bemühung, möglichst historisch akkurat zu sein.


Doch auf der gamescom 2019 wurden auch viele Videospiele mit weiblichen Hauptfiguren präsentiert – einige davon machten dazu auch noch eine Menge Spaß. Meine Videospielheldinnen der gamescom 2019.

Titelbild: Creative Commons von „Bago Games“. Verändert. Lizenz: CC BY 2.0

Für stärkere Heldinnen – Interview mit Cosplayerin Pia D.


>> Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass ich objektifiziert werde oder dass jemand gerade seine Fantasien auf mich überträgt. <<

Im Cosplay-Village der Halle 5.2 ist die Frauenquote auffällig hoch. Hier tummeln sich jedes Jahr etliche Verkleidungskünstler, die in aufwändigen Kostümen ihrer liebsten Spiel-, Film- oder Comic-Charaktere stecken. Hier treffe ich die Cosplayerin Pia D., um mit ihr über ihre Leidenschaft fürs Cosplayen und ihre Sicht auf weibliche Videospielcharaktere zu sprechen.


Wie bist du überhaupt zum Cosplayen gekommen und seit wann machst du das schon?

Ich mache das jetzt seit ungefähr zweieinhalb Jahren. Ich bin schon relativ lange Gamerin und interessiert an Popkultur. Irgendwann kam dann der eine Charakter, der mich so sehr begeistert hat, dass ich mir dachte: Der will ich jetzt unbedingt sein! Auch Basteln fand ich schon immer sehr spannend, obwohl ich eigentlich zwei linke Hände habe. Doch auch das hat sich mit der Zeit deutlich gebessert und so nahm das Hobby dann seinen Lauf.

Wen stellst du heute dar und warum hast du dich gerade für dieses Kostüm entschieden?

Ich bin Alleria Windläufer aus World of Warcraft. Sie ist inzwischen glaube ich sogar mein Lieblingscharakter aus dem Spiel und spielt in der Geschichte von World of Warcraft eine sehr bedeutsame Rolle. Zusätzlich ist sie eine unglaublich starke, unabhängige Frau – auch wenn das natürlich jetzt alles sehr klischeehaft klingt – und hat ein wirklich schönes Design. Vor ungefähr eineinhalb Jahren tauchte sie in World of Warcraft wieder mit einem neuen Aussehen auf und dann war es wirklich wie Liebe auf den ersten Blick.

Schlüpfst du als Cosplayerin generell nur in die Rolle von Frauencharakteren oder kannst du dir auch vorstellen, männliche Figuren zu verkörpern?

Bislang habe ich tatsächlich nur Cosplays von weiblichen Charakteren gemacht. Das liegt aber nicht daran, dass ich Männer komplett ausschließe, sondern eher daran, dass ich nicht so talentiert im Schminken bin. Ich war mir bislang einfach unsicher, ob ich das Make-Up richtig hinkriege. Einige Männercosplays habe ich aber trotzdem im Auge, die haben allerdings einen Helm auf – mal schauen, ob das klappt.

Hast du das Gefühl, dass Frauen in Videospielen, Anime und Popkultur als Heldinnen unterrepräsentiert sind?

Absolut. Im Anime nochmal deutlich stärker als im Gaming-Bereich. Vor allem im Vergleich zum Westen ist Japan in vielen Bereichen nun mal einfach noch nicht ganz so weit, was den Feminismus angeht. Im Gaming sehe ich da aber in der letzten Zeit schon deutliche Fortschritte. In World of Warcraft zum Beispiel gelangen weibliche Figuren zunehmend stärker aus der Rolle der „rührenden Freundin des männlichen Helden“ hin zu wirklich aktiv handelnden, vielschichtigen Charakteren, die auch Einfluss auf die Story haben. Hinzu kommen auch aktuelle Spiele wie Horizon Zero Dawn oder Detroit: Become Human, in denen weibliche Figuren die Protagonistinnen darstellen. Wir sind also auf einem guten Weg, aber trotzdem muss auf diesem Gebiet noch einiges geschehen.

Fühlst du dich in der Rolle als Cosplayerin auf Events wie der gamescom auch manchmal stark beglotzt?

Das kommt durchaus vor. Es ist allerdings ist immer schwer zu differenzieren, worauf die Leute gerade wirklich schauen: Auf die Rüstung oder meinen Körper? Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass ich objektifiziert werde oder dass jemand gerade seine Fantasien auf mich überträgt – und das ist dann auch echt unangenehm. In der Regel ist man aber ja auch mit mehreren Leuten unterwegs, die das dann auch bemerken und dazwischen gehen, wenn es nötig ist.

Vielen Dank für das freundliche Interview!


Der Mann ist der Held, die Frau muss gerettet werden – diese klassischen Rollenbilder existieren auch heute noch in zahlreichen Videospielen. Wie Frauen in Videospielen präsentiert werden.

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