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Mehr als nur Deko – Interview mit Entwicklerin Annika Rüegsegger

>> Auf Events wie der gamescom merkt man aber manchmal schon, dass die Leute mehr das Gefühl haben, man sei nur Dekoration. <<

Die Geschlechterverteilung in der Videospielentwicklung ist eindeutig: Statistiken zeigen, dass 2017 weltweit knapp drei Viertel aller Entwickler*innen männlich waren. In der Indie Arena Booth, einer Art Gemeinschaftsstand kleiner Entwicklerstudios aus aller Welt, sprach ich mit Annika Rüegsegger. Als Teil des Züricher Entwicklerstudios Maniax Games arbeitet die junge Game Designerin am Multiplayer-Arena-Shooter Retimed. Wie denkt Sie über ihre Rolle in einer männerdominierten Branche?


Wie verlief dein Weg zur Videospielentwicklerin?

Als ich das Gymnasium in der Schweiz abgeschlossen hatte, wusste ich schon, dass ich mal etwas mit Design machen möchte. Damit ich das aber überhaupt an einer Kunsthochschule studieren konnte, musste ich zunächst eine Art gestalterischen Vorkurs besuchen. In diesem Kurs erzählte man mir, dass man an der Zürcher Hochschule der Künste auch Game Design studieren kann. Da dachte ich mir: Du möchtest etwas mit Design studieren und spielst gerne – warum nicht beides kombinieren? Also habe ich mein Studium in Zürich gestartet und schon im letzten Studienjahr gemeinsam mit meinem Kommilitonen Max begonnen, unser gemeinsames Spiel Retimed zu entwickeln. Das hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir heute – ungefähr zwei Jahre nach Abschluss unseres Studiums – in Vollzeit am Spiel arbeiten. 

Glaubst du, du hattest es auf dem Weg zum Beruf schwieriger als ein Mann? Fühlst du dich als weibliche Entwicklerin manchmal belächelt?

Während meines Studiums hatte ich damit eher keine Probleme. In unserem Jahrgang waren wir ungefähr ein Drittel Frauen, bei späteren Jahrgängen war die Geschlechterverteilung sogar etwa 50:50. Was den Frauenanteil angeht, merkt man, dass die Schweiz teilweise schon deutlich weiter ist als andere Länder. Auf Events wie der gamescom merkt man aber manchmal schon, dass die Leute mehr das Gefühl haben, man sei nur Dekoration. Wenn man dann sagt, dass man selbst an dem Spiel entwickelt hat, sind die Leute meist verblüfft. Aber ich finde das meistens eigentlich ganz lustig, so für einen Überraschungsmoment sorgen zu können.

Warum glaubst du ist es auch heute noch so, dass sich vor allem Männer für Berufe in der IT oder auch der Videospielentwicklung entscheiden?

Ich habe das Gefühl, das liegt daran, dass es für Frauen noch nicht ausreichend gefördert wird. Außerdem ist es denke ich immer schwierig, wenn man in ein Gebiet kommen möchte, dass vom anderen Geschlecht dominiert wird. Das gilt nicht nur für Frauen, die in die Videospielentwicklung gehen, sondern auch für Männer, die zum Beispiel Kindergärtner werden wollen.

Hattest du damals Vorbilder?

Auf jeden Fall! Für mich war es vor allem Philomena Schwab. Sie studierte damals auch an der Zürcher Hochschule der Künste und gilt heute als Vorzeigefigur für Game Design in der Schweiz. Außerdem ist sie viel in der Politik tätig und zudem Publisher unseres eigenen Spiels.

Glaubst du es würde jungen Mädchen helfen, wenn mehr Videospielentwicklerinnen in der Öffentlichkeit stehen würden?

Ich bin mir sicher, dass das vielen helfen würde. Auch Stevie Case, die Ex-Frau von John Romero (Anm: Entwickler der wegweisenden Ego-Shooter Doom, Wolfenstein & Quake) war eine beeindruckende und wichtige Frau in der Gaming-Szene. Beide waren damals zusammen auf einem Festival von uns. Als Romero die Bühne betrat, sagte er: „Jeder kennt mich als den Mann von Stevie Case“. Kein Wunder: Sie hat schließlich schon vor ihm programmiert und Spiele entwickelt. Das war besonders für die damalige Zeit sehr eindrucksvoll!

Tragen Videospielentwickler*innen auch Verantwortung mit dem, was sie in ihren Spielen kreieren?

Meiner Meinung nach sollte man schon dafür sorgen, dass man in den Videospielen für Diversität sorgt. Nicht nur für die Gleichberechtigung: Ich finde es ist auch einfach langweilig, wenn die Hauptperson immer genau gleich aussieht. Erschafft man also unterschiedliche Charaktere, sorgt das letztlich auch für mehr Spielspaß!

Vielen Dank für das freundliche Interview!


Die Videospielentwicklung hat Schattenseiten – Frauen sind in der Unterzahl, werden schlechter bezahlt, im Job belästigt. Entwicklerinnen: Eine benachteiligte Minderheit.

Für stärkere Heldinnen – Interview mit Cosplayerin Pia D.


>> Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass ich objektifiziert werde oder dass jemand gerade seine Fantasien auf mich überträgt. <<

Im Cosplay-Village der Halle 5.2 ist die Frauenquote auffällig hoch. Hier tummeln sich jedes Jahr etliche Verkleidungskünstler, die in aufwändigen Kostümen ihrer liebsten Spiel-, Film- oder Comic-Charaktere stecken. Hier treffe ich die Cosplayerin Pia D., um mit ihr über ihre Leidenschaft fürs Cosplayen und ihre Sicht auf weibliche Videospielcharaktere zu sprechen.


Wie bist du überhaupt zum Cosplayen gekommen und seit wann machst du das schon?

Ich mache das jetzt seit ungefähr zweieinhalb Jahren. Ich bin schon relativ lange Gamerin und interessiert an Popkultur. Irgendwann kam dann der eine Charakter, der mich so sehr begeistert hat, dass ich mir dachte: Der will ich jetzt unbedingt sein! Auch Basteln fand ich schon immer sehr spannend, obwohl ich eigentlich zwei linke Hände habe. Doch auch das hat sich mit der Zeit deutlich gebessert und so nahm das Hobby dann seinen Lauf.

Wen stellst du heute dar und warum hast du dich gerade für dieses Kostüm entschieden?

Ich bin Alleria Windläufer aus World of Warcraft. Sie ist inzwischen glaube ich sogar mein Lieblingscharakter aus dem Spiel und spielt in der Geschichte von World of Warcraft eine sehr bedeutsame Rolle. Zusätzlich ist sie eine unglaublich starke, unabhängige Frau – auch wenn das natürlich jetzt alles sehr klischeehaft klingt – und hat ein wirklich schönes Design. Vor ungefähr eineinhalb Jahren tauchte sie in World of Warcraft wieder mit einem neuen Aussehen auf und dann war es wirklich wie Liebe auf den ersten Blick.

Schlüpfst du als Cosplayerin generell nur in die Rolle von Frauencharakteren oder kannst du dir auch vorstellen, männliche Figuren zu verkörpern?

Bislang habe ich tatsächlich nur Cosplays von weiblichen Charakteren gemacht. Das liegt aber nicht daran, dass ich Männer komplett ausschließe, sondern eher daran, dass ich nicht so talentiert im Schminken bin. Ich war mir bislang einfach unsicher, ob ich das Make-Up richtig hinkriege. Einige Männercosplays habe ich aber trotzdem im Auge, die haben allerdings einen Helm auf – mal schauen, ob das klappt.

Hast du das Gefühl, dass Frauen in Videospielen, Anime und Popkultur als Heldinnen unterrepräsentiert sind?

Absolut. Im Anime nochmal deutlich stärker als im Gaming-Bereich. Vor allem im Vergleich zum Westen ist Japan in vielen Bereichen nun mal einfach noch nicht ganz so weit, was den Feminismus angeht. Im Gaming sehe ich da aber in der letzten Zeit schon deutliche Fortschritte. In World of Warcraft zum Beispiel gelangen weibliche Figuren zunehmend stärker aus der Rolle der „rührenden Freundin des männlichen Helden“ hin zu wirklich aktiv handelnden, vielschichtigen Charakteren, die auch Einfluss auf die Story haben. Hinzu kommen auch aktuelle Spiele wie Horizon Zero Dawn oder Detroit: Become Human, in denen weibliche Figuren die Protagonistinnen darstellen. Wir sind also auf einem guten Weg, aber trotzdem muss auf diesem Gebiet noch einiges geschehen.

Fühlst du dich in der Rolle als Cosplayerin auf Events wie der gamescom auch manchmal stark beglotzt?

Das kommt durchaus vor. Es ist allerdings ist immer schwer zu differenzieren, worauf die Leute gerade wirklich schauen: Auf die Rüstung oder meinen Körper? Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass ich objektifiziert werde oder dass jemand gerade seine Fantasien auf mich überträgt – und das ist dann auch echt unangenehm. In der Regel ist man aber ja auch mit mehreren Leuten unterwegs, die das dann auch bemerken und dazwischen gehen, wenn es nötig ist.

Vielen Dank für das freundliche Interview!


Der Mann ist der Held, die Frau muss gerettet werden – diese klassischen Rollenbilder existieren auch heute noch in zahlreichen Videospielen. Wie Frauen in Videospielen präsentiert werden.

Im Hobby nicht ernst genommen – Interview mit Gamerin Svea L.

>> Wenn man als Mädchen mal gesagt hat, dass man Videospiele spielt, wurde man irgendwie immer eher ins Lächerliche gezogen. <<

Menschenmengen quetschen sich durch überfüllte Messehallen und werden von dröhnenden Bühnenshows beschallt. Kein Wunder, dass es viele Besucher*innen ab und zu auch für eine kurze Pause an die frische Luft zieht. Zwischen Halle 6 und 7.1 treffe ich auf Svea L., die mit einer Freundin aus Meppen im Landkreis Emsland angereist ist. Mein Ziel: Herauszufinden, wie man sich als Frau in der Gaming-Welt fühlt.


Gib doch mal eine grobe Schätzung ab: Wie viel Prozent aller Videospielenden sind Frauen?

Also ich glaube schon, dass es eher Männer sind. Aber in der letzten Zeit hat sich das im Vergleich zu früher durchaus ein bisschen gewandelt. Mittlerweile würde ich daher von 60:40 ausgehen.

Die Verteilung liegt tatsächlich beinahe bei 50:50. Warum glaubst du trotzdem, dass man eher denkt, Männer seien Gamer?

Ich denke das liegt vor allem daran, dass man dieses Bild noch von früher hat. Damals waren es immer eher die Männer, die gezockt haben und jetzt entwickelt es sich erst so langsam dahin, dass sich Frauen stärker für Videospiele interessieren und das Hobby überhaupt mal ausprobieren.

Hast du das Gefühl als weibliche Gamerin weniger Ernst genommen zu werden als Männer?

Auf jeden Fall. Aber nicht nur beim Online-Zocken, sondern auch schon damals in der Schule. Wenn man als Mädchen mal gesagt hat, dass man Videospiele spielt, wurde man irgendwie immer eher ins Lächerliche gezogen. Zwischen den Jungs war das nie ein Problem.

Auf welche Spiele freust du dich auf dieser gamescom besonders?

Wir sind erst gestern hier auf der Messe angekommen und haben erst einmal einen Rundgang gemacht und geschaut, was dieses Jahr überhaupt alles so da ist. Cyberpunk 2077 sieht auf jeden Fall sehr cool aus und auch Death Stranding wollten wir uns anschauen. Vielleicht werfen wir auch einen Blick auf Man of Medan. Dieses Jahr sind wir aber auch zugegeben ziemlich ohne Plan losgefahren. Die letzten Jahre waren wir auch hier und hatten uns da immer im Vorhinein überlegt, welche Spiele wir uns auf der Messe unbedingt ansehen wollen. Heute wird das also alles etwas spontaner.

Glaubst du, es gibt reine Männer- und Frauen-Spiele?

Ich glaube schon, dass es so etwas gibt. Viele Games sind ja darauf ausgelegt, dass man sich mit anderen Spielern misst – und dieser Konkurrenzgedanke ist bei Männern auf jeden Fall stärker verankert als bei Frauen. Ich denke das ist der Grund, warum auch so viele Männer Ego-Shooter wie Call of Duty spielen. Wenn ich zocke, will ich mich eher entspannen – ein Wettkampf sorgt da eher für Stress als für Vergnügen. Deswegen zähle ich besonders Rollenspiele zu meinen Lieblingsspielen.

Vielen Dank für das freundliche Interview!


Unterscheidet sich das Spielverhalten von Frauen wirklich von dem von Männern? Und wie steht es um andere Klischees der Gaming-Welt? Gaming ist auch weiblich.